Virtuelle Schallquellen
Im unterschied zu den auf psychoakustischen Prinzipien basierenden Phantomschallquellen bildet die virtuelle Schallquelle die Wellenfront physikalisch nach. Nach dem Huygenschen Prinzip kann jeder Punkt einer Wellenfront als Ausgangspunkt einer Elementarwelle betrachtet werden. Deshalb kann eine Wellenfront auch aus solchen Elementarwellen vollständig synthetisiert werden.
Wenn ausreichend viele Elementarwellen zu dieser Wellenfront zusammengesetzt werden, so unterscheidet sich die synthetisierte Wellenfront prinzipiell nicht von einer natürlichen Wellenfront. Ihr Ausgangspunkt ist eine virtuelle Schallquelle mit den gleichen Eigenschaften, wie eine natürliche Schallquelle an dieser Position. Ihre Ortung nicht mehr von der Position des Zuhörers abhängig, sie wird immer an ihrem virtuellen Ausgangspunkt wahrgenommen. Eine einfache Möglichkeit, eine virtuelle Schallquelle zu erzeugen ist es eine Kugel aus Lautsprechern aufzubauen. Der virtuelle Ursprung der Wellenfronten wird dann aus allen Richtungen in der Mitte der Kugel wahrgenommen:
Werden die Lautsprecher in einer Linie aufgebaut, kann die Krümmung der Kugel durch elektronische Verzögerung der Einzelnen Elementarwellen nachgebildet werden. Das ist heute mit Digitalen Signalprozessoren leicht möglich:
Werden die Lautsprecher nicht nur in einer Reihe, sondern als Fläche aufgebaut, so entsteht der "akustische Vorhang":
Diese Idee ist nicht neu. Schon in den dreißiger Jahren träumten die Wissenschaftler von der Möglichkeit, das räumliche Schallfeld wie mit einem "akustischen Vorhang" zu übertragen. Das Prinzip war folgendes:
Wenn in die Wand eines Raumes dich an dicht viele größere Löcher gebohrt würden, so könnte man die Schallereignisse hinter dieser Wand perfekt hören. Werden nun diese Löcher mit je einem Lautsprecher zugestopft, der über einen Verstärker mit einem Mikrofon auf der gegenüberliegenden Seite der Wand verbunden ist, ändert sich daran prinzipiell nichts. Dann könnte man natürlich auch an jedes dieser Mikrofone ein langes Kabel anschliessen und hätte so die perfekte Übertragung. Aufgegeben hat man diese Idee damals nur deshalb, weil man es niemals für möglich gehalten hätte, so viele Kanäle in mit ausreichender Bandbreite zu übertragen. Das wäre selbst heute noch ein Problem. Lösbar ist das aber nach dem Verfahren der Wellenfeldsynthese. Genauer betrachtet ist das Audiosignal selbst in allen Löchern gleich, also als einfaches Monosignal übertragbar. Den zeitlichen Versatz kann moderne DSP- Technologie problemlos aus den geometrischen Daten oder aus einer Impulsantwort erzeugen.
Neben der überragenden Dynamik, die ein solches Lautsprecherfeld durch seine wegen der riesigen resultierenden Membranfläche perfekten Anpassung an den Scheinwiderstand der Luft schon bei sehr geringen Membranauslenkungen erzeugen würde, entstünden völlig neue Möglichkeiten. Die stark gerichtete Abstrahlung würde die Spiegelschallquellen des Wiedergaberaumes kaum noch mit Energie versorgen, so dass der störende Einfluss der Wiedergaberaumakustik schwinden würde. Seine Spiegelschallquellen könnten nun gezielt angestrahlt werden, so dass die Wände die meist viel weiter entfernten Reflexionsflächen des Aufnahmeraumes vortäuschen könnten. Wenn der Wiedergaberaum in die Schallfeldsynthese einbezogen wird scheint der Holofonie- Ansatz -die physikalische Rekonstruktion des Aufnahmeraumschallfeldes, vergleichbar mit der Holografie im optischen Bereich - in den Bereich des Möglichen zu rücken. Welche Probleme dabei noch zu lösen sind wird im Abschnitt Wellenfeldsynthese beschrieben.