Anpassung der Membran an den Lastwiderstand der Luft
Dynamische Lautsprecher haben in herkömmlichen Kompaktboxen ein Problem: Ihr Wirkungsgrad ist sehr gering. Meist kommt kaum mehr als ein Prozent von der Energie, die der Verstärker an die Box abgibt, als Schalldruck beim Zuhörer an. Das ist nur zum Teil auf Verluste im Wandler selbst zurückzuführen, Hauptgrund ist die miserable Anpassung der Membran an den Lastwiderstand der Luft. Das lässt sich anschaulich so erklären:
Luft ist leicht, der Liter wiegt gerade mal 1,293 Gramm. Und sie hat eine sehr niedrige Viskosität, ihre Molekülstruktur ist nicht verzahnt und sie kann leicht ausweichen. Jeder kann sich leicht vorstellen, dass er kaum mit einer Handbewegung Luft in Richtung eines Zuhörers schieben könnte, wenn der einige Meter entfernt steht. Die Hand wird dabei kaum einen Widerstand verspüren, sie arbeitet also nicht auf eine Last, ihrer Bewegung ist kein Widerstand entgegensetzt. Das ist Fehlanpassung! Im Wasser wären die Verhältnisse viel besser, Wasser ist fast achthundert mal schwerer ist als Luft. In der Luft hilft aber nur ein großes Stück Pappe, wer schon mal einen Bratwurstgrill angefacht hat weiß dass man dann schon etwas Kraft aufwenden muss. Je schneller man wedelt, umso mehr, bei echten Profigrillern hat die Luft einfach kaum genug Zeit, zur Seite oder um die Pappe herum auszuweichen.
Das ist bei unserer Lautsprechermembran nicht anders. Wenn sie einen ausreichenden Durchmesser hat und sich sehr schnell bewegt, hat die Luft hat einfach keine Zeit mehr um die Lautsprecherbox herum auszuweichen, weil sie schon wieder angesaugt wird noch bevor sie ausweichen konnte. Mit steigenden Frequenzen verbessert sich also die Anpassung der Membran. Wenn sie aber auch tiefe Töne effektiv erzeugen soll, dann hilft nur Durchmesser. Oder man muss mit geeigneten Maßnahmen verhindern, dass die Luft ausweichen kann.
So hat der gleiche Lautsprecher in der unendlichen Schallwand grundsätzlich einen 6 dB höheren Wirkungsgrad als in der Kompaktbox, weil die Luft ja wenigstens nicht mehr nach hinten weg kann. Auch eine große Frontfläche der Box erfüllt diese Funktion. Aber bei der Wellenlänge, bei der sie zu Ende ist, hört ihre Wirkung naturgemäß auf. Der störende „ baffle diffraction step“, eine deutliche Stufe im Frequenzgang, ist die störende Folge, die entweder durch abgerundete Ecken gemildert werden kann oder in der Weiche ausgeglichen werden muss.
Die beste Anpassung erreicht man aber, wenn das Chassis in eine Schallführung eingebaut wird. Ein Horn kann dafür sorgen dass die Luft nicht zur Seite ausweichen kann, sondern in Richtung Zuhörer bewegt werden muss. Die Chassis sollten dann deutlich höher abgestimmt sein als in Kompaktboxen, weil die Resonanz nicht mehr durch die Federwirkung des Luftpolsters erhöht, sondern durch die angekoppelte Masse der bewegten Luft nach unten gedrückt wird. Dreißig oder vierzig Prozent Wirkungsgrad sind mit großen Hörnern realistisch. In den Dreißiger Jahren hat man in einem amerikanischen Tanzsaal mit einem 16 Meter langen Horn, dessen Mündung die ganze Dachfläche des Tanzsaales war, mit 4 Watt Verstärkerleistung einen Schalldruck kurz unter der Schmerzgrenze erzeugt.
Der „akustische Vorhang“ nach dem Prinzip der Wellenfeldsynthese ist mit dem Horn vergleichbar. Benachbarte Lautsprecher arbeiten im Grundtonbereich fast synchron, die Luft kann nicht ausweichen weil der benachbarte Lautsprecher zu jedem Zeitpunkt fast denselben Schalldruck erzeugt. Das wird in der Animation deutlich:
Wird die Übergangsfrequenz zum Sub nicht zu tief angesetzt, reichen sogar die etwa 20 Mikrometer Auslenkung der preiswerten, von Warwick Audio patentierten Lautsprecherfolie aus, um ausreichend Luft in Richtung Zuhörer zu bewegen. Werden dabei konvexe Wellenfronten erzeugt, so ist der Schalldruck beim Zuhörer sogar größer als unmittelbar an der Lautsprecherebene.
Auch andere Lösungen mit Elektrostaten oder digitalen Lautsprechern wären für den akustischen Vorhang nach dem Prinzip der Wellenfeldsynthese denkbar.